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Warum es so wahnsinnig schwer ist, ein Monist zu sein

In Gehirn, Geist, Leib-Seele-Problem, Philosophie on August 25, 2011 at 6:39 pm

Leib-Seele-Problem

Ich bin Monist, weil es – als ich das Wort zum ersten Mal hörte – alle um mich herum waren. Das hat ein neurobiologisches Forschungsinstitut so an sich. Seither behaupte ich das bei jeder Gelegenheit. Ich bleibe auch meist unwidersprochen. Was damit zu tun hat, dass wenige wissen, was nun wirklich ein Monist ist. Ich auch nicht. Aber ich komme langsam dahinter. Für einen Monisten gibt es keine Trennung zwischen Körper und Geist. Klar doch, denke ich als Neurobiologin. Wozu brauch ich einen Geist, steckt doch alles in den Nerven. Die Empathie in der vorderen Inselrinde, der Schmerz in den C-Fasern, die Angst in der Amygdala und das Erkennen meiner Großmutter in der Großmutterzelle. Einen Geist hat noch keiner verortet, muss man auch nicht. Ist ja wohl mehr ein Konstrukt der Menschen, die aufgrund ihrer früheren Geburt nicht die Gelegenheit hatten, kleine Elektroden in Froschhirne zu stecken.
Nun gibt’s da aber scheinbar ein Problem. Ich versuch das mal so zu erklären (Northoff, Singer, Roth, Pöppel mal bitte weghören): Mentale Zustände sind durch das Erleben gekennzeichnet, zum Beispiel das Erlebnis von Schmerz, Mitgefühl, Liebe oder Lust. Der Erlebnisgehalt, sie werden Qualia genannt, macht den mentalen Zustand aus. Diese sind nur subjektiv erfahrbar, nicht naturwissenschaftlichen – also in der Perspektive des Beobachters – Messungen zugänglich (Da war mir jetzt Leonhard Hennen und Kollegen vom Büro für Technikfolgenabschätzung behilflich). Aus dem Beschreiben der neurobiologischen Vorgänge im Gehirn ergibt sich nicht die Qualität des mentalen Vorgangs. Die Qualia beruhen auf materillen Vorgängen, gehen aber darin nicht auf. Kurz gesagt: Nervenzustand und mentaler Zustand korrelieren nicht. Noch kürzer: Es gibt einen Unterschied zwischen Gehirn und Geist. Ich denke ja eher: Klar ist das mit der Qualität komplex, aber nur weil wir es jetzt noch nicht erklären können, in ein paar Tausend Jahren vermutlich schon. Es kommt mir ein bisschen verzweifelt vor: Wir können nicht erklären, wie die Welt entstanden ist, daher muss es Gott geben. Wie können nicht erklären, wie unser Gehirn Bedeutung schafft, daher muss es einen Geist geben. Gott und Geist fangen auch noch beide mit G an. Wen das nicht stutzig werden lässt.

Geistiger Twitter

Was mich dann aber schon mehr überzeugt und nochmal mehr, weil der, der das sagt, damit seinen eigenen früheren Vorstellungen widerspricht – wer hat schon so viel Geistesgröße –, ist Hilary Putnam: Bedeutungen sind nicht im Kopf, sondern verweisen auf die Umwelt. Mentale Zustände sind nicht zu beschreiben, wenn man nicht gleichzeitig das, was sie repräsentieren – eben die Umwelt – miteinbezieht. Mein Gefühl ist ja, je komplizierter etwas wird, desto wahrscheinlicher ist es richtig. Und das klingt kompliziert. Aber vor allem zeigt es, dass unser Gehirn/Geist kein Einzelgänger ist, es ist eine Austausch- und Kommunikationszentrale, ständig auf Durchfluss geschaltet, geistiger Twitter sozusagen. Kurz gesagt: Mentale Zustände sind nicht eindeutig durch neuronale Zustände beschreibbar, Geist und Gehirn müssen unterschieden werden.
Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob man, wenn man diese These unterschreibt, nun schon automatisch kein Monist mehr ist. Ich frag mich auch, ob man nicht in den besagten ein paar Tausend Jahren auch das Dilemma neurobiologisch mit links gelöst hat. Schon jetzt – kluge Sache – werden ja die Gehirnaktivitäten zweier Menschen beim Gefühlsaustausch beobachtet. Der Gehirnscan zeigt, wie sich die Gehirne mit der Zeit aufeinander einschwingen. Wen die Bedeutung oder der Geist irgendwo dazwischen liegt, sollte man das eigentlich auch irgendwann neurobiologisch runterbrechen können. Haben übrigens die Theologen nach dem Tod Gottes auch gemacht, das mit dem Dazwischenlegen. Gott wurde aus dem Himmel geholt und einfach zwischen die Menschen gelegt, als Liebe. Den Krach, den sie gerade gehört haben, war entweder, wie sich Ernst Bloch oder mein Philosophielehrer im Grab umdrehten.
Naja, Sie haben es gemerkt, ich lese gerade Dennett und Bennet und wie sie alle heißen „Neuroscience and Philosophy“. Geht bald wieder vorbei. Aber ich kann ja schonmal warnen, was als nächstes auf meinem Nachtschränkchen liegt: Zorn und Zeit von Sloterdijk.

 

Foto: Frank Martin Dietrich / Photocase.com